„Der hat aber angefangen!“

Oder: Wie Sie andere dazu bringen, weniger mit Ihnen zu streiten
Kategorie: Leben
| 28.06.2018 | 0 Kommentare

Ich kenne nur wenige, sehr wenige Menschen, die sich freuen, wenn sie mit anderen im Clinch liegen. Dennoch kommt es laufend zu Streitereien.

Eine beliebte Rechtfertigung lautet: „Der hat aber angefangen.“

Hört sich plausibel an nach dem Motto: Ich wollte ja gar nicht streiten. Und dann kam da dieser Bösewicht und Rums! war ich mittendrin in einem Streit. Den ich gar nicht gewollt hatte. Schuld an dem Streit ist also der andere, nicht ich.

Hartmann von Aue ist anderer Meinung:

„Auch fängt ja der den Streit nicht an,
Der den ersten Schlag getan.“

Hartmann von Aue: Iwein 871f., in der Übersetzung von Wolf Graf von Baudissin, 1845

Ach, und wieso nicht, Herr von Aue?

,Wenn der Andre ihn schweigend erträgt,
Ist aller Hader beigelegt.“
 

Ich glaube, das muss ich nicht erläutern. Es ist also egal, wer den Streit angefangen hat. „Zum Streiten gehören immer zwei“, sagt der Volksmund.

Heißt das nun, das man sich alles gefallen lassen muss? Nein, heißt es nicht. Aber Sie wollen ja offensichtlich Ihre Streitquote reduzieren. Sonst würden Sie ja nicht diesen Artikel lesen.

Und wenn Sie weniger Streit haben wollen, müssen Sie leider auch mal zurückstecken. Wer sagt denn „immer“? Wie wäre es zu Beginn mit „auch mal“ und dann bei Bedarf langsam steigern! 

Überlegen Sie gut, wann Sie Energie in eine Auseinandersetzung investieren wollen und wann nicht. Matthias Claudius hat das schön ausgedrückt in dem folgenden Spruch (ausführlicher erläutert in meinem Buch „30 Impulse für Ihre Karriere):
 
"Greif nicht leicht in ein Wespen-Nest;
doch, wenn du greifst, so stehe fest.“

Matthias Claudius: Ein silbern dito, in: ASMUS omnia sua SECUM portans, oder: Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen, Siebenther Theil, Cannstadt 1835 (Erstauflage: 1812), S. 74–77, hier: S. 75.

Just gestern hatte ich eine Situation am Telefon, in der ich diese Entscheidung treffen musste. Ich fühlte mich von meiner Gesprächspartnerin angegriffen, wollte mich verteidigen und dabei beiläufig zum Gegenschlag ausholen. Habe es dann aber in einem meiner wenigen weisen Momente! bleiben lassen. Das war eine Hürde, aber ich habe es tatsächlich hinbekommen. Ergebnis: Frieden. Und heute? Heute ist mir egal, ob ich gestern Recht hatte oder sie.

PS. „Der hat aber angefangen“ lässt sich übrigens kaum aufdröseln. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe ich selten bis nie (eher nie) bei einem Streit zwischen meinen Kindern herausfinden können, wer schuld war. „Der hat aber angefangen!“ „Ja, aber sie hat vorher …“

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