Wie mein Freund sein Traumhaus 40.000 Euro billiger bekam


Kategorie: Managen Reden Leben
| 06.12.2013 | 1 Kommentare

Es war ein Traum von einem Haus. Lichtdurchflutet, große Zimmer, tolle Lage. Nur: Meinem Freund fehlten 40.000 Euro, um den Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
 
Leider waren die Verkäufer, ein Ehepaar, nicht bereit, den Preis um 40.000 Euro zu senken. Sie sagten, sie hätten zwei Interessenten, die bereit waren, den ausgeschriebenen Preis zu zahlen. Den Zuschlag bekam daher einen Tag später - mein Freund!
 
Wie hat er das denn hinbekommen? Das hätten Sie gern gewusst, oder? Ich sage es Ihnen: Er sprach - bewusst oder unbewusst - das Herz der Verkäufer an.
 
 
Der Meistertrick des Aristoteles
 
Das ist ein Trick, den bereits Aristoteles in seiner „Rhetorik" präsentiert. Er führt dort nämlich das Appellieren an die Gefühle als eine von drei Formen der Überzeugung an:
 
„Die Rede bietet drei Mittel der Überzeugung: [...], das zweite besteht darin, den Zuhörer in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, [...]“ 

(Aristoteles: Rhetorik I 2. 1356a1–3.)
 
Das funktioniert? Auch beim Kauf eines Hauses? Da geht es doch nur ums Geld und um nichts Anderes, erst recht nicht um Gefühle, oder? 
 
Genau diese Situation wird daher üblicherweise als ein Beispiel dafür angeführt, dass es beim Verhandeln zwar meistens, aber eben nicht immer um Gefühle oder um die Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer gehe. Denn in der Regel hat man beim Hauskauf mit dem Verkäufer weder zuvor noch danach zu tun, nur beim Kauf selbst. Dennoch: Auch in diesem Fall spielte die Beziehung eine entscheidende Rolle!
 
Aber wie sprach mein Freund konkret das Herz dieses Ehepaares an? Zuerst einmal muss die Chemie zwischen ihnen gestimmt haben. Okay, was noch? Die anderen Interessenten wollten neue Wände einziehen, die Außenfassade stark ändern usw. Mein Freund erklärte hingegen, er wolle das Haus so lassen, wie es ist. War’s das?
 
 
Der Meistertrick meines Freundes
 
Nun, ich glaube, was den Ausschlag gab, war folgendes: Im Gespräch nach der Besichtigung lud mein Freund das Ehepaar ein, ihn und seine Familie später gerne mal in diesem Haus zu besuchen (Ja, so ist er mein Freund! Lädt die Noch-Besitzer in ihr eigenes Haus ein, auch wenn er weit davon entfernt war, es zu besitzen). 
 
Das alles zusammengenommen führte dazu, dass das Ehepaar auf die 40.000 Euro verzichtete - mit den Worten: „Bei Ihnen ist unser Haus in guten Händen.“
 
 
Der Meistertrick der Tochter einer Seminar-Teilnehmerin
 
Na ja, vielleicht haben mein Freund und ich das falsch interpretiert. Vielleicht gab es ja auch gar nicht die zwei Interessenten, die den vollen Preis zahlen wollten. Wer weiß? Todsicher bin ich nicht. Doch einen Tag später wurde ich in meiner Einschätzung bestätigt.
 
Als ich diese Geschichte nämlich in einem Seminar erzählte, meldete sich eine Teilnehmerin und erzählte eine ähnliche Geschichte von ihrer Tochter.
 
Wieder ging es um den Kauf eines Hauses. Wieder gab es mehrere Interessenten. Wieder hatten Käufer und Verkäufer sich vorher nicht gekannt.
 
Den Zuschlag bekam die Tochter, und zwar mit den Worten „Meine Kinder und ich haben beschlossen, dass Sie das Haus bekommen.“ 
 
Und wer waren die Kinder? Das genaue Alter kann ich nicht angeben. Ich weiß nur, dass die Seminar-Teilnehmerin davon sprach, dass die Tochter und ihre Kinder, als sie auf die Besichtigung warteten, einige Minuten mit den Kindern der Verkäufer in deren Garten gespielt hätten. Das war’s!


Und noch ein Meistertrick - dieses Mal aus der Perspektive des Verkäufers

Und da es so schön ist, hier ein weiteres Beispiel, dieses Mal aus der Perspektive des Käufers. Als ich nämlich diese beiden Geschichten in einem anderen Seminar erzählte, meldete sich ein Teilnehmer zu Wort. (Keine Sorge, ich rede darüber nicht mehr in den nächsten Seminaren, sonst muss ich diesen Artikel endlos weiterschreiben)

Dieses Mal ging es um den Verkauf. Er hatte drei Kandidaten + Anhang zur Wahl. Was machte der Seminarteilnehmer? Um seinen Nachbarn kein Kuckucksei ins Nest zu legen, überließ er ihnen die Wahl. Die Entscheidung fiel auf einen Kandidaten, der 5.000 Euro weniger bot als die anderen beiden Kandidaten. Und der bekam den Zuschlag.


Ihr Meistertrick, wenn Sie ihn richtig anwenden
 
Vielleicht haben Sie etwas Vergleichbares erlebt? Dann würde es mich freuen, wenn Sie davon in einem Kommentar unten berichten.
 
Doch lassen Sie mich vorher sicherheitshalber noch etwas sagen: Das Herz eines anderen kann man nur dann wahrhaft ansprechen, wenn man
  1. es so meint: Ich glaube, dass wir alle feine Antennen dafür haben, wenn jemand zu uns nur nett ist, weil er etwas von uns will, ohne es wirklich so zu meinen.
  2. authentisch ist: Wer nicht mit Kindern Fußball spielen mag, sollte es dann bitte auch nicht tun, um den Preis eines Hauses zu drücken. Und was die seltsame Einladung meines Freundes angeht: Bei ihm kam sie normal rüber, bei 95 Prozent der Leute würde sie hingegen, na ja, eben seltsam aussehen.   
 
Also: Wenn Sie mit jemandem verhandeln, bauen Sie eine gute Beziehung zu dieser Person auf und respektieren Sie ihre Gefühle. Und wenn das nichts bringt? Nicht schlimm. Hauptsache, Sie waren freundlich und wertschätzend.
 
Doch viel häufiger werden Sie die Erfahrung machen: Eine gute Beziehung macht nicht nur Spaß, sondern auch das Verhandeln leichter.

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Schlagworte: Verhandeln Gefühle Beziehung Hauskauf
Kommentare: 1

Gast | 14:57 Uhr | 30.12.2013
Beim Lesen dieser Geschichte musste ich herzhaft schmunzeln. Genau solche Erfahrungen habe ich gemacht! Dies scheint ein Lebensbereich zu sein, bei dem man dies am wenigsten vermutet - es aber offenbar umso häufiger vorkommt. Wenn man sich vorstellt, dass es um viel Geld geht und oft um ein einmaliges Liebhaberobjekt, ist es merkwürdig, dass es hierzu noch keine speziellen Bücher gibt . Vielleicht wäre dies etwas für "den Meister"..

Hier nun meine Geschichte: Obwohl es Kaufinteressenten gab, die mehr zahlen wollten, haben meine Partnerin und ich eben das Herz der alten, wunderlichen Verkäuferin erobert, zu allem JA gesagt, ihre Räuberpistolen ertragen (oft zwei Mal dieselbe Geschichte pro Treffen), ein unkompliziertes, von ihr verlangtes Handgeld über 5000 Euro gezahlt (wurde später verrechnet), vor allem aber: Der innerstädtische Garten war ein einziger Wald: Voller Tannen, Fichten, Tujas, Wacholder, Kiefern etc. Eine Obsession, dunkel und sehr unansehnlich. Im wahrsten Sinne des Wortes wuchs dort kein Gras. Doch natürlich haben wir der Dame nicht erzählt, wo wir dort demnächst die Kettensäge ansetzen.

Überflüssig zu erwähnen, dass die Verkäuferin heute einen Herzinfarkt bekommen würde, wenn sie den größtenteils flurbereinigten Garten sähe.

Interessant dabei: Vor uns hatten zwei Interessenten den Zuschlag erhalten - doch bis sie beim Notar waren, hatten sie es sich mit der Dame verscherzt.

Der eine kam mehrmals unangekündigt mit Handwerkern und Architekten in das leer stehende Haus und tat bereits so, als ob es ihm gehöre ...

Die zweite Familie brachte ihre Kinder mit - anders als vom Meister dargestellt, ist das nicht immer clever. Die Kinder aßen nämlich alle Kekse auf und das gefiel der Dame nicht (kein Witz, sie hat es uns selbst erzählt). Das war das Aus für ihren Hauskauf.
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