Darin zeigte er Anfang der 90er Jahre, wie man Mitarbeiter nicht motiviert. Mit Prämien, Vertrauen, Zielen usw. Ich weiß noch, wie ich damals voll Zustimmung das Buch las, aber am Ende enttäuscht war. Mir reichte es nicht, die Fehler zu kennen. Ich wollte wissen, wie es richtig geht.
Gestern nun hatte ich die Möglichkeit, in der Veranstaltung „Ein Tag mit Reinhard K. Sprenger" den Meister selbst zu erleben. Und erfuhr dabei kurz vor dem Mittagessen ein Mittel, mit dem man Mitarbeiter wirklich motivieren kann:
"Jenseits der sexuellen Attraktivität ist Zusammenarbeit nur möglich, wenn Sie ein gemeinsames Problem haben, das Sie als gemeinsames Problem anerkennen."
Warum, Herr Sprenger?
„Nur dann fallen Egoismus und Hilfe zusammen. Nur dann bin ich bereit, auch mit meinem härtesten Widersacher zusammenzuarbeiten. Warum? Weil ich ihn brauche.“
Das hört sich überzeugend an, finde ich. Aber gibt es nicht schon genug Probleme? Probleme, die eigentlich gar keine sind, sondern nur zu Problemen gemacht werden? Welche Qualität muss ein Problem haben, damit unser Gegenüber es wirklich als ein Problem anerkennt?
Hier nannte Sprenger gestern drei Kriterien: Es müsse überlebensrelevant sein (also nicht jedes Problemchen motiviert), es müsse selbsterklärend sein (also nicht zu kompliziert zu verstehen) und es müsse das Problem eines Kunden sein (also nicht ein Problem, das sich das Unternehmen selbst macht, durch Hierarchien, Bürokratie o.ä.)
Was das für Seminare und Meetings heißt
Nicht schlecht, oder? Das gilt übrigens nicht nur für die Zusammenarbeit in Unternehmen, sondern meiner Erfahrung nach auch für Reden oder Meetings. Wenn Sie wollen, dass das Meeting nicht einfach so dahinplätschert und die Hälfte der Mannschaft schläft, dann müssen Sie früh dafür sorgen, dass ein Problem besprochen wird, dass von den Anwesenden wirklich als ein Problem anerkannt wird. (In dem Fall muss es nicht einmal überlebensrelevant sein, aber natürlich gilt: Je größer, desto interessanter.)
Ich habe mich daher bei vielen Seminaren, die ich halte, davon verabschiedet, ein Programm durchzuziehen, sondern bitte die Teilnehmer zu Beginn, ihre Fragen und Probleme zum Thema zu nennen.
Die genannten Punkte schreibe ich auf ein, zwei Flipchart-Blätter. Diese Blätter dienen uns als Fahrplan, den wir gemeinsam im Laufe des Seminars abarbeiten. Das motiviert die Seminar-Teilnehmer ihrem Namen alle Ehre zu machen, also teilzunehmen. Und wenn wir am Ende die Fragen und Probleme gemeinsam beantwortet haben, sind alle zufrieden.
Ich habe festgestellt (welch Wunder!): Ihre Fragen und Probleme interessieren die Zuhörer mehr als das von mir vorbereitete Programm. Meistens haben sie das Programm sowieso nicht gelesen und wissen nicht, was sie erwartet. Und wenn, dann werden sie feststellen: Im Programm kommen immer Punkte vor, die sie nicht so sehr interessieren.
Achtung: Diese Methode klappt nur, wenn Sie sich in Ihrem Thema auskennen. Wenn Sie auf die Fragen und Probleme der Zuhörer vorbereitet sind. Aber das sind Sie ja sowieso, hoffe ich!
Warum das so ist
Schön und gut. Aber warum ist das so? Eigentlich lieben wir Probleme doch gar nicht, oder? Wir wollen doch von Problemen verschont werden, oder? Das geht so weit, dass einige mittlerweile versuchen, das Wort „Problem“ abzuschaffen. Sie sprechen lieber von „Chancen“, „Herausforderungen“ oder gar „Challenges“.
Hm, Arthur Schopenhauer ist da anderer Meinung:
„Hindernisse überwinden ist der vollste Genuss seines [= des Menschen] Daseins.“
Arthur Schopenhauer: Die Kunst, glücklich zu sein, Lebensregel Nr. 30.
Ist es aber nicht schöner, eine Weltreise zu machen, als sich mit Hindernissen herumzuplagen?
„Der Mensch will seine Kraft in Tätigkeit setzen und den Erfolg dieser Tätigkeiten irgendwie wahrnehmen. […] Darum fühlt man sich auf langen Vergnügungsreisen dann und wann sehr unglücklich.“
Ebda.
Und was macht der Mensch in Unternehmen, wenn er keine Hindernisse zu überwinden hat, Herr Schopenhauer?
„Unbewusst treibt ihn dann seine Natur, entweder Händel zu suchen, oder Intrigen zu spinnen, oder Gaunereien oder sonst Schlechtigkeiten.“
Ebda.
Das Unternehmen fängt also an, sich mit sich selbst zu beschäftigen, würde man in Sprengers Terminologie sagen. Damit es dazu gar nicht erst kommen kann, sind Sie als Führungskraft dafür verantwortlich, Ihren Mitarbeitern echte kundenorientierte Probleme klar zu machen.
Warum das Problem ein gemeinsames sein muss
Und Sie müssen dafür sorgen, dass dieses Problem zum Problem Ihres Mitarbeiters wird. Dazu fällt mir die Geschichte von „ Uncle Fred“ ein, dem Großonkel meiner Frau. Als wir bei ihm in Chicago zu Besuch waren, hörte ich von ihm mehrfach den halbspaßig, halbernst gemeinten Spruch „That’s not my problem, that's your problem.“ Ich muss zugeben: Damit hatte er leider oft Recht!
Im Büroalltag ist dieser Spruch jedoch nicht so lustig.
a) … für Sie als Führungskraft, falls Sie es nämlich nicht verstanden haben, aus dem Problem ein Problem des Mitarbeiters zu machen.
b) … für den Mitarbeiter, falls Ihr Problem die von Sprenger genannten Kriterien erfüllt. Warum? Da fragen wir doch Herrn Sprenger selbst! Herr Sprenger, wie würden Sie darauf reagieren, wenn ein Mitarbeiter Ihnen sagen würde: „That’s not my problem, that’s your problem“?
„Ich würde diese Person sofort abmahnen.“