Die kürzeste und effektivste Form des Verhandelns – nach J. P. Getty

Die amerikanischen Meister und ihre Tricks (Teil 4)

Kategorie: Managen Reden
| 22.10.2012 | 3 Kommentare

Artikelbild

Letzte Station unseres Los-Angeles-Aufenthaltes: das Getty-Museum. Prächtige Kunstwerke, prächtiges Gebäude-Ensemble, prächtiger Blick auf den Pazifischen Ozean. 

Kostenloser Eintritt für jeden, Paul Getty sei es gedankt. Nur fürs Parken mussten wir zahlen. Das Ding da neben mir ist übrigens ein Kunstwerk im Innenhof (meiner Meinung nach weniger prächtig). 

Getty war nicht nur Öl-Milliardär und begnadeter Kunst-Sammler. Er hat seine Meistertricks in mehreren Publikationen (auch eine über das Sammeln von Kunst) weitergegeben.

Am meisten beeindruckt hat mich in seinem Buch „How to be rich“ eine Episode über das Verhandeln, die ich Ihnen hier kurz zusammenfasse. 


Die übliche Methode

Also, Getty war in Verhandlung mit seinem Betriebsrat. Thema: Natürlich die Gehälter. Seine Ratgeber rieten ihm zu einer Verhandlungsmethode, die Sie und ich gut kennen: ein bisschen entgegenkommen, feilschen, noch ein bisschen weiter entgegenkommen, dann noch ein bisschen und so langsam, langsam sich dem Kompromiss nähern. Nach mehreren Tagen / Wochen dann erschöpft vor die Presse oder sonst wen treten und mit tiefen Ringen unter den Augen das Ergebnis verkünden.


Die Getty-Methode

Getty hatte eine andere Idee: Er wollte gleich zu Beginn der Verhandlung seine Schmerzgrenze nennen und anhand einiger weniger Fakten und Zahlen erklären, warum das seine Schmerzgrenze war. Seine Ratgeber schlugen die Hände über den Kopf zusammen.

Doch Getty tat genau das. Beide Parteien vereinbarten, am Nachmittag über diesen Vorschlag zu reden.


Das Ergebnis

Am Nachmittag hatte Getty den Abschluss gemäß der von ihm vorgeschlagenen Schmerzgrenze in der Tasche.

Warum war (und ist!!) diese Methode so effektiv? Weil Getty erstens ehrlich war und zweitens mit seiner Ehrlichkeit, wie soll ich sagen, seinen Verhandlungspartner Wertschätzung entgegenbrachte. Jedenfalls mehr Wertschätzung als Salami-mäßig sich dem Kompromiss zu nähern.

Können Sie das auch? Warum nicht? Wichtig sind meiner Meinung nach drei Dinge:
 

  1. Die Schmerzgrenze muss auch wirklich die Schmerzgrenze sein und nicht eine scheinbare Schmerzgrenze, die durchaus noch über/-unterschritten werden kann.

  2. Erklären! Die Fakten nennen! Den Gesprächspartner mit hinein nehmen in die eigene Situation!

  3. Freundlich sein und nicht mit einer ultimativen Forderung den Gesprächspartner unter Druck setzen.


Was meinen Sie? Wann funktioniert das und wann nicht? Bzw. welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit das funktioniert?

Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass das nur unter Freunden geht! Getty und der Betriebsrat schienen mir nicht die dicksten Freunde zu sein.

Oh, beinahe hätte ich noch das Getty-Zitat vergessen. Hier ist es:
 

„Der direkte Ansatz unterstützt durch Fakten funktionierte – so auch in vielen vergleichbaren Situationen, die ich als Geschäftsmann und Arbeitgeber erlebt habe.“

How to be rich, New York 1983, S. 88 (Übersetzung von mir)


Also laut Getty keine Eintagsfliege.



Schlagworte:
Kommentare: 3

Gute Idee, aber nur unter bestimmten Bedingungen | 08:53 Uhr | 31.01.2013
Aus eigener Erfahrung heraus hängt der Erfolg dieser Strategie von folgenden Faktoren ab

- es sind keine Dritten mit Eigeninteresse beteilgt
- das Vertrauensverhältnis stimmt
- beide sind sich bewusst, dass nach der Schmerzgrenze nichts mehr kommt

Gruß


Ralf Lengen | 13:23 Uhr | 31.01.2013
Danke für den Hinweis auf die drei Faktoren! Die letzten beiden haben etwas mit der Vertrauenswürdigkeit der eigenen Person zu tun. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass man sich in der Vergangenheit dieses Vertrauen erarbeitet hat. Die "Dritten mit Eigeninteresse" verkomplizieren die Sache natürlich. Aber ist es in dem Fall wirklich unmöglich, die Getty-Strategie zufahren?
Die Karten gehören offen auf den Tisch - Ehrlich, Sachlich und mit Leidenschaft erklärt - | 08:40 Uhr | 07.02.2013
Folgendes fällt mir hierzu ein:

1) "In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst".“ (Augustinus von Hippo)
2) „Wählen Sie für Ihre Reden Themen, die Ihnen am Herzen liegen.“ (Dale Carnegie)

Ich bin der Meinung, dass wir zuviel "Logos" in unserer Sprache haben (zuviel Verstand und erklären müssen), es fällt die Leidenschaft der Pathos in uns, was andere dazu bringt uns zu zuhören...

Wer seine Leidenschaft entdeckt hat, der folge ihr....

Gruß
Oliver
Kommentar schreiben:

Bitte kreuzen Sie das Feld an bzw. lösen Sie das Bilderrätsel:


Ihr Kommentar wird nach Prüfung freigegeben und veröffentlicht.