Heidi Klum hat es auch nicht leichter als ich


Kategorie: Leben
| 23.02.2018 | 4 Kommentare

Ich gebe es gern zu: Bis gestern Abend dachte ich noch, Heidi Klum hätte es leichter als ich. Sie sieht besser aus. Sie hat mehr Geld. Sie ist ein klein bisschen bekannter als ich. Usw. usw.

Wie gesagt, bis gestern Abend. Denn dann hörte ich aus Ihrem Munde einen Satz, mit dem sie mich - eher beiläufig - widerlegte.

Und zwar in der Sendung "Germany’s Next Topmodel" (die ich mit meinen beiden jüngsten Töchtern anschaute, nur aus Recherche-Gründen, versteht sich!). Sie wollte einer Kandidatin (und zwar Zoe) zu verstehen geben, diese möge sich zusammenreißen und trotz Zickenkrieg souverän auftreten. Denn:

"Wir alle haben unsere Probleme."

Heidi Klum in "Germanys Next Topmodel", Staffel 13, Episode 3, am 22.02.2018

Ja, natürlich, Heidi Klum hat auch ihre Probleme. Welche, darüber will ich hier nicht mutmaßen. Aber sie hat welche. Wir alle haben welche. Und wir können uns gar nicht vorstellen, welche Probleme gerade die Leute haben, von denen wir meinen, es ginge ihnen blendend.

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich habe nicht geschrieben "Heidi Klum ist nicht glücklicher als ich". Das kann ich nicht beurteilen. Soweit mein bisschen Lebenserfahrung und viele kluge Bücher mir sagen, hat jeder es in der Hand, glücklich zu sein, egal ob er es leichter oder schwerer hat. Ich ertappe mich nur hin und wieder dabei zu denken "Die / der hat es leichter, also ist sie / er auch glücklicher." Nö, stimmt aber nicht.

Stellvertretend für viele andere Meister sei Goethe zitiert:

"Wir sind nicht klein, wenn uns die Umstände zu schaffen machen, nur, wenn sie uns überwältigen."

Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo, 4. Akt, Carlos zu Clavigo



PS. Das Zitat von Heidi Klum stammt übrigens aus dem letzten Drittel der Sendung. Woher ich das weiß? Weil wir zuvor die parallel laufende Sendung "Unser Lied für Lissabon", also den Vorentscheid für den Eurovision Song Contest, angeschaut haben (natürlich ebenfalls nur aus Recherchegründen!).





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Kommentare: 4

Maria Schöps | 14:51 Uhr | 01.03.2018
Sehr gut. Im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) nennt man das, glaube ich, Reframing: Man gebe einer Aussage oder einem Gefühl einen anderen Rahmen und schon ändert sich seine Bedeutung. Was im einen Kontext als geizig gilt, kann im anderen als der unsichtige Umgang mit knappen Ressourcen gedeutet werden, dann zum Beispiel, wenn man zuhause alle Münder satt bekommen muss.

Und darin, lieber Herr Dr. Lengen, sind Sie ein wahrer Meister: Im Reframing. Das fängt an in der Situation vorm TV auf dem Sofa mit den Kids (DAS ist ja das eigentlich Schöne, Kuschlige, Wertvolle, und erst danach kommen Recherche und einfach der Voyeuristenspaß an einer wie auch immer gearteten Show im Fernsehen..) und geht weiter mit dem Problemehaben vs. Glücklichsein.

Gratulation: Durch diese Rahmenwechsel wird das, was Sie schreiben, meisterhaft lebendig, vielschichtig und abwechslungsreich. Danke für Ihren Newsletter, er ist wahre Freude und Genuß!
Herzlichst
Maria Schöps
Ralf Lengen | 15:02 Uhr | 01.03.2018
Herzlichen Dank, liebe Frau Schöps! Das ist sehr freundlich von Ihnen. Bis bald mal wieder - würde mich freuen!

Beste Grüße, Ralf Lengen
Katrin Kuhls | 14:51 Uhr | 11.03.2018
Lieber Ralf!
Diese Reflektionen zu dem von Heidi Klum gewählten Allgemeinplatz habe ich mit Vergnügen gelesen und mir Deine Vaterfreuden vorgestellt.
Besonders gefällt mir dann das Zitat von Vater Goethe: Irritierend finde darin nur die Satzzeichen. Hast Du da 'mal kritisch raufgeschaut?

Mit herzlichem Gruß nach Berlin
Katrin
Ralf Lengen | 15:08 Uhr | 11.03.2018
Liebe Katrin! Vielen Dank für Deinen Kommentar! Wenn Du mit "Satzzeichen" die Kommata meinst - das hat Goethe so geschrieben. Kann man zum Beispiel nachlesen unter http://gutenberg.spiegel.de/buch/clavigo-3622/5

Beste Grüße zurück nach Hamburg!
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