Präpositionitis - und welche Pillen dagegen helfen


Kategorie: Schreiben
| 14.06.2018 | 0 Kommentare

In Deutschlands Büros grassiert eine furchtbare Krankheit: die Präpositionitis. Und täglich infizieren sich Tausende neu mit dem Virus … Ich hoffe, Sie haben sich noch nicht angesteckt. Und falls doch, sage ich Ihnen, wie Sie dieses tückische Ding wieder loswerden.

Was das ist, die Präpositionitis? Ich gestehe, ich habe den Begriff erfunden. „Präposition-itis“, abgeleitet von „Präposition“, im Schuldeutsch „Verhältniswort“ genannt. Präpositionen sind solche Wörter wie „in“, „an“, „auf“, „bei“, „hinter“ usw.

Ja, und was ist jetzt so schlimm an diesen Präpositionen? Nix ist schlimm daran. Sie sind nun einmal Bestandteil der deutschen Sprache.

„Ich gehe nach Hause“ hört sich für uns schicker an als „Ich gehe Hause“ (Perser hingegen lassen in diesem Fall gerne die Präposition weg; in Teheran können Sie also gern so sprechen).

So. Schlimm wird es nur, wenn – Achtung, jetzt wird es etwas kompliziert –

 a) eine Präposition durch eine Nominalphrase zu einer Präpositionalphrase erweitert wird
und
b) diese Phrase zu Beginn einer Sinneinheit steht, also zu Beginn eines Absatzes oder sogar eines gesamten Textes.

O Mann, schwerer Tobak. Keine Bange, das erkläre ich jetzt an einem Beispiel. Ich fange dabei mit Bedingung a) an, also der Präpositionalphrase, die aus drei Teilen zusammengesetzt ist:

1) „Vor“ ist eine harmlose Präpositon, kein Problem.
Zum Beispiel: „Ich habe dich vor drei Tagen dort gesehen.“

Jetzt aufgepasst: Wir ergänzen eine Nominalphrase, also
+
2) ein Nomen = Hauptwort, …
+
3) … an dem noch ein Rattenschwanz an weiteren Wörtern hängt.

Zum Beispiel :
2) das Nomen „Hintergrund“
+
3) der Rattenschwanz „dass der Kunde die Rechnung, die wir ihm vor vier Monaten gestellt haben, noch nicht gezahlt hat“

—>
2 + 3) Nominalphrase „Hintergrund, dass der Kunde die Rechnung, die wir ihm vor vier Monaten gestellt haben, noch nicht gezahlt hat“

Insgesamt heißt die Präpositionalphrase also:
1 + 2 + 3 ) „Vor dem Hintergrund, dass der Kunde die Rechnung, die wir ihm vor vier Monaten gestellt haben, noch nicht gezahlt hat“

Und jetzt kommt noch Bedingung b) dazu. Wir stellen das Ganze zu Beginn einer Sinneinheit, und zwar damit es richtig deutlich wird, an den Beginn einer Mail.

„Lieber Lars,
vor dem Hintergrund, dass der Kunde die Rechnung, die wir ihm vor vier Monaten gestellt haben, noch nicht gezahlt hat, …“

Ich hoffe, Sie merken, dass das ein wenig umständlich rüberkommt, denn das Wichtigste ist noch nicht gesagt. Es könnte zum Beispiel so weitergehen:

„… legen wir die Beine hoch und machen erst einmal nichts mehr für diesen Kunden.“
oder so:
„… fragen wir uns, ob wir schlechte Arbeit geleistet haben“.

Aber genau das will doch der Leser wissen, und zwar gleich. Das Unwichtigere (nicht: das Unwichtige) steht am Anfang, und das nervt.

Präpositionalphrasen liefern Informationen zum Hintergrund, zur Vorgeschichte, zu Argumenten, Methoden und Quellen.

Die sind nie so wichtig, wie das, was danach kommt: Bitten, Ergebnisse, Standpunkte, Nutzen, Risiken, Kosten.

Oder positiv formuliert: Kommen Sie gleich zur Sache! Das gilt für die Makrostruktur, also für Texte und Präsentationen insgesamt (wer mehr wissen will: „So kommen Sie auf den Punkt“). Aber auch für die Mikrostruktur, also innerhalb von Sätzen.

Nun kommen wir zum Gegenmittel. Meine Grundschullehrerin, Frau Kuhlmann, hatte Pillen, die dagegen helfen, die „SPO-Pillen“:

„Ein deutscher Satz besteht aus Subjekt, …“ – genau:

 
„Ein deutscher Satz besteht aus Subjekt, Prädikat, Objekt“.

Ursula Kuhlmann, meine Lehrerin an der Grundschule „Auf der Wunderburg“ in Oldenburg (Oldb.)


Also schreiben wir lieber:

„Lieber Lars,
wir [Subjekt] legen [Prädikat] die Beine [Objekt] hoch und machen erst einmal nichts für diesen Kunden. Denn er hat die Rechnung …“

Sie sehen, das Wichtigste steht zuerst. Und die Präpositionalphrase haben wir schön aufgelöst, indem wir daraus einen zweiten Satz machen und diesen anfügen.

Ich habe noch heute Respekt vor meiner Grundschullehrerin. Doch wem Frau Kuhlmann als Autorität nicht reicht – hier noch ein Zitat eines anderen Meisters:


„Das Ideal der Wortstellung ist die der gebildeten, aber natürlich gebliebenen Redesprache.“

Eduard Engel: Deutsche Stilkunst, 19. Auflage, Wien, Leipzig, 1913, S. 301


Aha. Will sagen: Können Sie sich vorstellen, dass jemand zu Beginn eines Telefonates sagt: „Vor dem Hintergrund …“?

Abschließend noch ein paar Fälle von Präpositionitis:
„Im Rahmen von …“
„Im Zuge einer …“
„Unter Berücksichtigung der …“
„Nach Untersuchung der …“

So, und ich leg jetzt die Beine hoch!


Schlagworte:
Kommentare: 0

Kommentar schreiben:

Bitte kreuzen Sie das Feld an bzw. lösen Sie das Bilderrätsel:


Ihr Kommentar wird nach Prüfung freigegeben und veröffentlicht.