Wann Sie wirklich groß sind


Kategorie: Leben
| 18.02.2016 | 2 Kommentare

In diesem Artikel werden Sie lesen, wodurch Sie sich abheben werden von vielen nur scheinbar Großen. Das wollen Sie natürlich wissen, oder? Bevor ich das verrate, werde ich jetzt so tun, als wenn es diese Einleitung nicht gäbe und den Artikel neu beginnen:

Sein Gesicht war steinern. Es musste etwas Schlimmes mit seinem Bruder passiert sein. Könnte man denken. Doch die Wahrheit war: Es waren die Schlussminuten des Superbowl 50 (den ich mir mit meinem Sohn bis 04.30 Uhr morgens angeschaut hatte). Und es war klar: Sein Bruder, Peyton Manning, würde gleich zum zweiten Mal die wichtigste Trophäe der Welt (meinen die Amerikaner jedenfalls und mittlerweile auch mein Sohn und ich) entgegennehmen.

Aber das war doch ein Anlass zur Freude! Ja, das sollte man meinen. Doch offensichtlich hatte er, Eli Manning, damit eine Schwierigkeit, dass sein Bruder jetzt genauso viele Superbowl-Ringe an der Hand haben würde wie er, nämlich zwei Stück. Es reichte ihm offensichtlich nicht, zwei Superbowl-Ringe zu haben. Es war ihm wichtiger, dass er mehr hatte als sein Bruder.

Tja, der Neid! Ich bin leider auch nicht frei davon, und ich fürchte, Sie auch nicht. Kain war so von Neid zerfressen, dass er seinen Bruder Abel erschlug. Ich will hier jetzt nicht darüber philosophieren, wie sehr wir uns mit unserem Neid selbst schaden, sondern sogleich unseren Blick auf ein positives Gegenbeispiel lenken.


Die Verliererin, die sich mitfreute

Serena Williams hätte gern die Australian Open gewonnen. Doch Angelique Kerber hatte etwas dagegen. Und sie, der Underdog, besiegte Serena Williams. Und diese schlich sich traurig bis wütend vom Platz und verweigerte Angelique Kerber den Handschlag. Eben nicht! Wie gleich mehrere Medien berichtet haben, hat sie zu ihr gesagt: „Angie, du bist die verdiente Siegerin. Ich hoffe, du genießt diesen Moment.“

Das kann doch nicht sein! Das war bestimmt eine Floskel! Nein, das war es nicht. Ich habe selbst im Fernsehen Serena Williams beobachtet, als ihre Gegnerin den Pokal überreicht bekam. Sie lächelte und freute sich, als wäre Angelique Kerber ihre Tochter (hier ein Foto davon). Das ist Größe, würde Marie von Ebner-Eschenbach sagen:
 

„Andere neidlos Erfolge erringen sehen, nach denen man selbst strebt, ist Größe.“

Marie von Ebner-Eschenbach: Aphorismen, 3. Auflage, vermehrt um ein fünftes Hundert Aphorismen, Berlin 1890, Erstes Hundert, 11, S. 6.


Wenn das stimmt, dann ist mein Jugendfreund Johannes ein Großer. Ich habe ihn immer dafür bewundert, dass er mir neidlos Gutes gönnte. Es geht also!

Gut, doch wie können wir unseren Neid überwinden, der sich ja unmerklich einschleicht. „Vergleichen Sie sich nicht mit anderen“, rufen uns die Tugendwächter zu. Und das stimmt. Aber das ist schwer möglich, finde ich. Ich vergleiche mich ständig mit anderen. Ich kann gar nicht anders.


Der Kirchenvater, der einen guten Tipp gegen Neid hatte

Wirksamer finde ich einen Ratschlag von einem, der zwar nicht den Superbowl oder die Australian Open gewonnen hat, aber dafür eine „Predigt über den Neid“ gehalten hat: Basilius der Große. Er bleibt nicht dabei zu stehen zu sagen „Sei nicht neidisch!“. Das ist deswegen schwer zu befolgen, weil wir mit Nicht-Aussagen Probleme haben (Denken Sie mal nicht an einen blauen Elefanten! – und was haben Sie jetzt gerade getan?). Und was empfiehlt er jetzt, der Basilius?
 

„Lenke deinen Ehrgeiz wie einen Strom auf den Erwerb der Tugend! Wünsche nicht, um jeden Preis und auf jede Weise reich zu werden oder berühmt zu sein nach der Art der Welt! Das steht ja nicht bei dir. Wohl aber sei gerecht, vernünftig, starkmütig und geduldig in deinen Opfern für die Gottseligkeit!“

Basilus der Große: Predigt über den Neid I 5, Texte der Kirchenväter, herausgegeben von Alfons Heilmann, Band 1, München 1963.


Ja, ich weiß, das hört sich etwas geschwollen an. Jedenfalls nicht danach, als hätte Serena Williams es gesagt. Doch der Botschaft würde sie zustimmen: Wichtiger als die Australian Open zu gewinnen ist es, mit der Niederlage im Finale gut umzugehen.

Also, wenn ich noch auf etwas neidisch sein will, dann auf die Neidlosigkeit meines Jugendfreundes Johannes.



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Kommentare: 2

Christoph | 09:53 Uhr | 23.02.2016
Schöner Artikel und wie immer toll geschrieben!
Ist das eigentlich der Johannes, mit dem ich entfernt verwandt bin?

Viele Grüße,
Christoph
Ralf Lengen | 10:07 Uhr | 23.02.2016
Pst! Nicht weitersagen! Und danke fürs Kompliment!
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