Weniger rechtfertigen!

Machen Sie es wie Thukydides, nicht wie die Blues Brothers
Kategorie: Reden Leben
| 15.08.2012 | 3 Kommentare

Artikelbild

Letztens in der Pause eines Seminars: Ein Teilnehmer kam zu mir und empfahl mir, mich weniger zu rechtfertigen. (z.B.: „Die Metaplanwand soll nach links? Okay! Ich hatte sie rechts hingestellt, damit ...“).

Er selbst habe ein Rechtfertigungsfasten durchgeführt: eine Woche lang nicht rechtfertigen. Jetzt rechtfertige er sich kaum mehr.

Keine schlechte Idee, dieses Rechtfertigungsfasten, oder? Das Argument, das mich überzeugte: Unserem Gesprächspartner ist egal, was wir zu unserer Rechtfertigung zu sagen haben. Verbockt ist verbockt.


Thukydides kam zu spät


Mir fiel sogleich ein positives Beispiel ein. Thukydides - den manche von Ihnen vom Schreibtricksfächer kennen – war im Peloponnesischen Krieg als Feldherr einmal zu spät gekommen. Eine Katastrophe für die Wartenden, die auf seine Hilfe angewiesen waren: Die Stadt Amphipolis musste kapitulieren.

Thukydides hatte jedoch eine tolle Gelegenheit, sich zu rechtfertigen. Er schrieb nämlich ein Buch über den Peloponnesischen Krieg und darin auch über diese Episode.

Lang und breit erklärte er, warum er nicht pünktlich da war. Das Schiff war alt, der Wind ungünstig, die Leute inkompetent. – Nein! Nichts dergleichen. Er schrieb nur einen Satz (nicht verwirren lassen, er schrieb über sich in der dritten Person):
 

"Thukydides aber kam mit seinen Schiffen an diesem Tag spät in Eion an."

Thukydides: Der Peloponnesische Krieg IV 106


Wie finden Sie das? Ich finde das cool!


Jake kam gar nicht

Nun zu den Blues Brothers, genau genommen zu einem von ihnen: Jake.

Wenn Sie den Film gesehen haben, erinnern Sie sich vielleicht an die nette Dame, die ihm nach dem Leben trachtet: mit Flammenwerfern, Raketen und und und. Warum? Er hatte sie versetzt: Er war zu spät – sagen wir lieber: gar nicht! – zur Hochzeit gekommen.

Als sie ihn kurz vor Ende des Films zur Rede stellt ("Du Mistkerl! ... Mehr als 300 Leute warteten ...") , wirft er sich im schlammigen Tunnel zu Boden und beginnt eine Rechtfertigungs-Arie:

"Ehrlich. Das Benzin war alle. Ich einen platten Reifen. Und dann hatte ich nicht genug Geld für ein Taxi. Mein Smoking kam nicht aus der Reinigung. Ein Freund von außerhalb kam zu Besuch. Jemand hat mein Auto gestohlen. Dann kam ein Erdbeben, dann kam eine furchtbare Flutwelle."


Das alles interessierte die Braut jedoch nicht. Hochzeit ist Hochzeit. Da ist man pünktlich. Egal, was passiert. Er war zu spät. Punkt.

Also: Machen Sie mal ein Rechtfertigungsfasten!

Sagen Sie nicht "Ich bin zu spät, weil ...".

Sagen Sie: "Bitte entschuldige! Ich bin zu spät."



Schlagworte:
Kommentare: 3

Katrin Kuhls | 15:28 Uhr | 15.08.2012
Super! Einfach Super!!
Die Idee mit dem Rechtfertigungsfasten werde ich sofort in mein Repertoire aufnehmen.

Kommentare schreibt man ja immer, weil man es ja doch noch (!) besser weiß:
schöner als "Entschuldigung" ist "es tut mir leid"
besonders, wenn es sich um "tiefe" Verletzzungen handelt, wie zur Hochzeit nicht erscheinen.

Liebe Grüße

Ralf Lengen | 16:19 Uhr | 15.08.2012
Danke, gute Korrektur! "Es tut mir leid" ist besser!

Ich hatte "Bitte entschuldige" geschrieben, weil - nee! Schluss mit dem Rechtfertigen!
Daniel P. | 16:30 Uhr | 15.08.2012
Mit dem Rechtfertigen ist eine wunderbare Sache und zwar denn wenn darauf verzichtet wird, genau wie in dem Artikel beschrieben.
Ich würde hier sogar noch eine Unterscheidung zwischen Zu-Spät-Kommen und spontanes Rechtfertigen.
Beim Zu-Spät-Kommen würde ich anstatt der Entschuldigung eher in die Zukunftsform gehen.
Zum Beispiel \" Ich schäme mich und werde beim nächsten Mal pünktlich sein\"
Außnahme dieses Spruches natürlich bei einer Hochzeit ;)

Schwieriger wird es beim spontanen Rechtfertigen, wie das obengenannte Beispiel mit der Metaplanwand. Da sprudelt das Rechtfertigen nur so raus. Das zu abzustellen bedeutet schon etwas Disziplin und viel \"Auf-die-Lippe-beißen\" :)
FreundlicheGrüße aus Berlin
Kommentar schreiben:

Bitte kreuzen Sie das Feld an bzw. lösen Sie das Bilderrätsel:


Ihr Kommentar wird nach Prüfung freigegeben und veröffentlicht.