Immer wieder werde ich in Seminaren gefragt, wie man gute Gratulationsschreiben erstellt. Die Antwort ist einfach – erfordert aber leider Arbeit. Viel Arbeit.
Sie ist nachzulesen bei Goethe – und bei Herbert Henzler, dem langjährigen Chef von McKinsey Deutschland.
Beginnen wir mit Goethe. Zu seinem Geburtstag bekam der Dichterfürst viel Post. Und was tat er daraufhin?
Versuchte er Zeit zu sparen und seine Gratulanten pauschal per Rundmail oder XING mit einer Antwort zu beglücken?
Individuell schreiben
Nein, sein Schreibtrick hieß „individuell“, wie Sie hier nachlesen können.
Moment, streng genommen geht es bei Goethe um die Antwort auf eine Gratulation. Aber ich denke, Goethe wäre damit einverstanden, den Schreibtrick „individuell“ auch auf die Gratulation selbst zu beziehen.
Oder möchten Sie etwa zu Ihrem Jubiläum oder zu Ihrer Beförderung ein Standardschreiben bekommen? Eines, bei dem man nur den Namen Ihrer Kollegin einsetzen muss und es funktioniert immer noch? Sehen Sie!
Doch worauf ist zu achten, um ein individuelles Gratulationsschreiben zu erstellen? Hier hilft ein Blick in die Autobiographie Immer am Limit von Herbert Henzler. Daraus lassen sich drei Tipps für Gratulationsschreiben ableiten.
1 Mit der Hand schreiben
Ach nee, das fängt ja gut an! Reicht nicht einfach nur eine Unterschrift oder meinetwegen eine handgeschriebene Zeile unter dem gedruckten Text?
Wenn man Herbert Henzler Glauben schenken darf: Nein!
„Allen Associates gratulierte ich zu ihren Beförderungen mit einem handgeschriebenen Brief.“
Herbert Henzler, Immer am Limit, Berlin 2011, S. 119
Meine Güte, zwischendurch mal bei einem Top-Mann ein paar handgeschriebene Zeilen, okay. Aber der gute Mann redet tatsächlich von „allen Associates“.(Hervorhebung von mir)
Sie wollen sich herausreden mit Ihrer Kralle, Entschuldigung: Ihrer schlechten Handschrift? Das Argument zieht leider nicht.
Besser ein nicht so leicht lesbarer handgeschriebener Brief als ein hervorragend lesbarer Computer-Ausdruck. Und übrigens: So ein Gratulationsschreiben wäre ja mal ein schöner Anlass, sich in etwas schönerer Schrift zu üben.
2 Ein gutes Archiv aufbauen
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und Ihre Handschrift macht noch keinen individuellen Inhalt.
Doch wie kommen Sie zu individuellen Details? Bestimmt nicht, indem Sie sich kurz vor knapp hinsetzen nach dem Motto "Das Schreiben muss aber heute noch raus!"
Nein, Freunde, so geht das nicht. Machen Sie es lieber wie Herbert Henzler:
"Mit Hilfe der Assignment-Koordinatorin Jutta Weider-Pipping sammelte ich Informationen darüber, an welchen Studien jeder einzelne gearbeitet hatte; ..."
Ebda, S. 119
Um es mit einem Sprichwort zu sagen: "Graben Sie Brunnen, bevor Sie durstig sind!" Bauen Sie sich Ihr Archiv auf, ob allein oder mit Hilfe Ihrer Kollegen. Dann können Sie ohne Stress auf Knopfdruck individuelle Details abrufen.
Sie sind zu weit weg vom Mann? Oder von der Frau? Dann gehörten Sie vielleicht zu den Unseligen, die als Personaler für solche Schreiben zuständig sind. Sie haben mein Mitgefühl, denn eigentlich müsste der Vorgesetzte diese Schreiben verfassen.
Aber bleiben Sie nicht bei dieser Ausrede stehen! Hören Sie auf zu heulen und rufen Sie den jeweiligen Vorgesetzten an und lassen sich diese Informationen geben!
3 Familiäre und persönliche Details einfließen lassen
Sie bringen in Ihren Gratulationen Hinweise auf berufliche Details, auf Spitzen-Ergebnisse, auf Geschichten am Arbeitsplatz? Schön!
Doch noch schöner wird es, wenn Sie etwas persönlicher werden. Mitarbeiter sind auch nur Menschen. Sie haben sogar Familien. Und Hobbies. Und sonstige persönliche Interessen oder Vorlieben.
"... ich merkte mir, was ich über die familäre Situation und andere persönliche Angelegenheiten wusste."
Ebda., S. 119
Zeit investieren
Das kostet zu viel Zeit? Viel Zeit, ja! Aber zu viel? Der McKinsey-Chef hatte sicherlich viele wichtige Sachen zu tun. Dreimal dürfen Sie raten, warum er sich gerade für Gratulationen so viel Zeit nahm!
PS. Wie ich gerade auf Herbert Henzlers Autobiographie kam?
Letzte Woche habe ich ihn live erlebt. Auf einer Veranstaltung von Lehmanns Media und den Berliner Wirtschaftsgesprächen stellte er seine Autobiographie vor.
Interviewt wurde er dabei von Jürgen Diessl, dem Geschäftsführer des Econ-Verlages, in dem Henzlers Buch erschienen ist. Diessls Fragen hätten übrigens Goethe gefallen, denn sie zielten auf Highlights - und das waren immer besondere Geschichten, also das Individuelle.