Beginnen wir mit "dumm" oder dem "dummen Leser". Wer meine Seminare besucht, weiß: Ich werde nicht müde zu betonen, dass man beim Leser möglichst wenig voraussetzen sollte, meistens sogar gar nichts. Bitte versuchen Sie den Leser nicht zu beeindrucken! Seien Sie froh, wenn er Sie versteht. Darauf kommt es an.
Diese Haltung war der Grund dafür, warum Luther so erfolgreich war. Er übersetzte die Bibel nach folgendem Prinzip:
"Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt danach fragen und denselben auf das Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen; so verstehen sie es dann und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet."
Ein Sendbrief D. Martin Luthers vom Dolmetschen und Fürbitte der Heiligen, Nürnberg 1530, abgedr. in: D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, 30, 2, Weimar 1909, 637.
Schreiben Sie einfach!
Schreiben Sie für Siebenjährige. Oder wie es ein Seminarteilnehmer von mir ausdrückte: nach der KLV-Formel. Es muss verständlich sein für Kinder, Laien und Vorstände. Denn auch Vorstände sind Siebenjährige, was Ihre Texte angeht. Sie können nicht so im Thema "drin" sein wie Sie.
Was das heißt? Vermeiden Sie Fachwörter, Fremdwörter, Abkürzungen und englische Begriffe! Einzige Ausnahme: Sie wissen, dass Sie sie beim Leser voraussetzen können.
So, und was hat das jetzt mit "blöd" zu tun? Der Leser ist zwar dumm, aber das heißt noch lange nicht, dass er Ihnen nicht auf die Schliche kommt, und zwar, wenn Sie versuchen, ihn für dumm, äh, blöd zu verkaufen. Hierzu drei Tipps:
1. Halten Sie, was Sie versprechen!
Was das mit Schreiben zu tun hat? Viel! Oft ertappe ich meine Seminarteilnehmer dabei, wie sie in Überschriften etwas versprechen, was der Text nicht hält. Warum? Um den Leser dazu verführen, den Text zu lesen. Sie dürfen den Leser verführen, ja. Aber dann muss Ihr Text auch die Erwartungen erfüllen, die Sie geschürt haben.
Also: Versprechen Sie keinen Nutzen, den Sie nicht halten können! Dramatisieren Sie nicht in der Überschrift! Bauschen Sie Ihr Thema nicht auf. Der Leser ist nicht blöd. Er wird sich einmal von Ihnen auf den Arm nehmen lassen, vielleicht auch ein zweites Mal. Beim dritten Mal wird er Ihren Text nicht anrühren. Nicht einmal mit der Kneifzange.
2. Gestehen Sie Fehler ein!
Wenn Sie es verbockt haben, dann schreiben Sie nicht um den heißen Brei herum. Der Leser ist nicht blöd. Er weiß, dass Sie es verbockt haben. Wenn Sie versuchen, darum herumzuschreiben, wird er erst recht fuchsig.
3. Nennen Sie Nachteile und Risiken!
Klar, Sie wollen Ihren Leser überzeugen. Dürfen Sie auch. Sollen Sie sogar. Was Sie nur nicht machen sollten: Alles in rosaroten Farben schildern, obwohl Sie wissen, dass die Realität anders aussieht. Das weiß der Leser nämlich auch. Er ist schließlich nicht blöd.
4. Geben Sie zu, wenn Sie etwas nicht wissen
Was Leser überhaupt nicht abkönnen: Wenn Sie keine Ahnung haben, aber versuchen so zu tun, als ob. Keine Ahnung haben - das ist okay (wenn Sie es damit nicht übertreiben). Sagen Sie einfach "Ich weiß es nicht." Dafür hat der Leser Verständnis. Schließlich geht es ihm nicht anders.
So, das ist das, was mir auf die Schnelle eingefallen ist. Da Sie als meine Leserin, mein Leser nicht blöd sind: Vielleicht fallen Ihnen noch weitere Tipps ein, wie man den Leser so behandelt, dass er sich ernst genommen fühlt.
Einfach in den Kommentar schreiben. Ich als Ihr dummer Leser freue mich darauf. Aber denken Sie daran: Ich bin nicht blöd!
Heute sage ich mir: Wer meinen Humor nicht versteht, ist doof. Das ist vielleicht die 3. Spielart von dumm und blöd. Der doofe Leser. Der, der sich seiner selbst nicht sicher genug ist, um Ironie, Sarkasmus oder Schalk nicht als Angriff zu verstehen, sondern als auflockerndes Stilmittel.
Der doofe wird natürlich prompt zum dummen Leser in Herrn Lengens Sinne, sobald es für den Autoren wichtig wird, dass auch der doofe weiterliest. Das muss ich mir wohl hinter die Ohren schreiben - dass viele doofe Leser auch sehr oft dumme, aber nicht blöde sind... ;)
Hut ab...
Thilo