Wenn Journalisten (oder andere!) Sie etwas fragen, was Sie nicht wissen

Was Sie vom Head Coach der Pittsburgs Steelers lernen können
Kategorie: Reden
| 19.12.2017 | 1 Kommentare

In meinem Seminar „Umgang mit Medienvertretern“ ist das die am häufigsten gestellte Frage: „Was sage ich, wenn mir eine Frage gestellt wird, auf die ich keine Antwort weiß?“ (Statt „Medienvertreter“ können Sie übrigens auch „Kunden“, „Kollegen“ oder „Zuhörer“ u.a. einsetzen.)

Bevor ich das verrate, will ich Ihnen sagen, wie Sie nicht reagieren sollten:


Bitte nicht empfindlich reagieren oder gar zurückschießen!

Machen Sie Journalisten keine Vorwürfe dafür, dass sie Sie etwas fragen, was Sie nicht wissen (und von dem sie oft wissen, dass Sie es nicht wissen [alles klar?]). Es ist der Job von Journalisten zu fragen. Und wenn sie gerade niemanden haben, bei dem sie ihre Fragen loswerden können, dann müssen Sie eben dran glauben. Jedenfalls wollen sich Journalisten nicht später von ihrer Chefredakteurin sagen lassen „Warum hast du denn das nicht gefragt?“. Sie sehen, ich will Verständnis für diese Fragen bei Ihnen schaffen. Und ich rate Ihnen, wenn Sie sauer sind, behalten Sie das für sich! Denn was und wie Sie es sagen, kann nun mal gegen Sie verwendet werden. Und das wollen wir doch nicht, oder?


Bitte nicht einfach drauflosreden!


Fallen Sie bloß nicht von der anderen Seite vom Pferd, indem Sie versuchen, die Frage zu beantworten. Vielleicht machen Sie im Moment damit Punkte bei Ihrem Gegenüber, aber wenn, dann nur vorübergehend. Die Zeit bringt es an den Tag, dass Sie keine Ahnung hatten und Unsinn erzählt haben. Doppelt schlimm, wenn das dann noch gesendet oder veröffentlicht wird.

Ja, was denn nun? Die Frage als unsinnig zurückweisen geht nicht und antworten geht auch nicht? Wie sag ich’s meinem Kinde, äh, Journalisten oder wem auch immer?

Ich sehe zwei Möglichkeiten. Welche Sie davon wählen, hängt davon ab, ob Sie die Antwort auf die gestellte Frage wissen könnten oder nicht. Also, ob es an Ihnen liegt, dass Sie die Frage nicht beantworten können oder daran, dass der Fragende sich an die falsche Person gewendet hat.


Schieben Sie Ihre Antwort auf und geben Sie sie dann später!

Wenn Sie sicher sind, dass Sie die Frage nach etwas Recherche beantworten können — und nur dann! —, kündigen Sie Ihrem Gegenüber an, dass Sie seine Frage später beantworten können, wenn ihm damit geholfen ist. Und falls gewünscht, tun Sie das dann aber auch! (Vertrösten und sich dann nicht mehr melden kommt nicht so gut an). Am besten nennen Sie einen realistischen Termin und kommen dann von sich aus auf Ihren Gesprächspartner zu.


Sagen Sie, dass Sie es nicht wissen können!

Ja, am liebsten würden wir natürlich gern auf alles eine Antwort wissen. Das ist aber nun einmal nicht möglich:
"Ein Mensch kann nicht alles wissen, aber etwas muß jeder haben, was er ordentlich versteht." 

Gustav Freytag: Die verlorene Handschrift [1864]. Roman in fünf Büchern. 2. Theil. 16. Auflage. Leipzig: Hirzel, 1886. S. 10.

Also, ich will davon ausgehen, dass Sie etwas haben, was Sie ordentlich verstehen. Geben Sie auf dem Gebiet alles! Und dann seien Sie entspannt, wenn Sie auf bestimmte Fragen keine Antwort haben. Mit dieser Haltung, garniert mit dem richtigen Tonfall, wird Ihnen schon eine geeignete Formulierung einfallen, um zu sagen, dass Sie es nicht wissen.

Also, ich bin mir sicher, das kriegen Sie hin, liefere Ihnen aber frei Haus doch noch einige Formulierungsvorschläge:
  • „Ich will hier nicht spekulieren.“
  • „Sie haben nichts davon, wenn ich Ihnen jetzt etwas sage, was ich sowieso nicht freigeben kann“
  • „Es ist nicht meine Aufgabe, …“ (bitte freundlich sagen!)
  • „Bitte fragen Sie da lieber …“ (z.B. die Pressestelle, den Vorstand)

Und zu guter Letzt für meine Football-Freunde etwas, was Mike Tomlin, der Head Coach der Pittsburgs Steelers, sagte, als die Journalisten ihn nach der schweren Verletzung von Ryan Shazier direkt nach dem Spiel nach der Diagnose fragten:

„Ich bin kein Arzt.“

Spiel am 4. Dezember 2017,
zum Interview, Minute 2:07
 
(Statt „Arzt“ können Sie alternativ „Umweltpolitiker“, Finanzexperte“, „Linguist“ oder dergleichen einsetzen.) Jetzt werden die Spitzbuben unter Ihnen mich fragen: „Und was sage ich, wenn mein Gegenüber daraufhin sagt ‚Ich weiß, aber was würden Sie denn sagen, wenn Sie Arzt wären?‘“

Da hilft nur die Schallplatte: Ihren Gesprächspartner freundlich anschauen und sagen: „Ich bin aber kein Arzt“.

Gute Besserung an Ryan Shazier. Here we go, Steelers!

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Kommentare: 1

Thilo | 13:24 Uhr | 20.12.2017
Der Artikel erinnerte mich gerade an einen Film mit Dieter Hallervorden, "Der Doppelgänger". Herr Immer, ein Magnat, verpasst darin seinem unbedarften Doppelgänger, der ihn kurzfristig als Konzernvorstand vertreten soll, eine Lektion in moderner Kommunikation.

Wenn er etwas nicht verstehe oder keine Ahnung habe, solle er einfach sagen: "Ich brauche mehr Details!". Wenn das nicht reiche: "Schreiben sie's auf, ich beschäftige mich später damit."

Auch diese Komödie lehrt uns: Sie haben völlig recht, Herr Lengen. So meistert man schwierige Fragen, auch wenn man zuerst mal keine Antwort parat hat.
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